In Kürze:
Mykoplasmen sind extrem kleine, zellwandlose Bakterien, die sich parasitär an Wirtszellen anheften und dadurch klassischen β-Laktam-Antibiotika entgehen; häufigste menschliche Erreger wie Mycoplasma pneumoniae und M. genitalium verursachen atypische Atemwegs- bzw. urogenitale Infektionen, die vor allem per Tröpfchen- oder Sexualkontakt übertragen werden. Ihr zuverlässiger Nachweis erfolgt meist per PCR, während die Therapie Makrolide, Tetrazykline oder Fluorchinolone erfordert – zunehmend erschwert durch wachsende Resistenzraten, besonders bei M. genitalium.
Mykoplasmen-Infektions-Check
Mykoplasmen (Klasse Mollicutes) sind extrem kleine Bakterien (etwa 0,2–0,3 µm) und gehören zu den kleinsten selbständig vermehrungsfähigen Organismen. Das auffälligste Merkmal ist das Fehlen einer Zellwand – Mykoplasmen besitzen kein Peptidoglykan und können daher nicht mit der Gram-Färbung dargestellt werden. Die Zellmembran enthält statt dessen Cholesterin, was bei Bakterien ungewöhnlich ist. Durch das Fehlen der Zellwand sind Mykoplasmen formlich sehr variabel (pleomorph) und empfindlich gegenüber osmotischen Schwankungen. Viele gängige Antibiotika wie Penicilline und Cephalosporine, die die Zellwandsynthese hemmen, sind gegen Mykoplasmen unwirksam. Mykoplasmen sind obligat auf einen Wirt angewiesen und überleben parasitär auf den Oberflächen von Wirtszellen, da ihnen viele Gene für eigenständige Stoffwechselwege fehlen. Sie beziehen essenzielle Nährstoffe wie Fettsäuren, Aminosäuren, Nukleotide und Cholesterin aus den Wirtszellen. Mykoplasmen sind meist aerob bis fakultativ anaerob und bilden weder Sporen noch Kapseln. Mit Genomgrößen von nur ~580–1380 kbp (bei Mycoplasma spp. und Ureaplasma spp.) verfügen sie über eines der kleinsten Genome unter selbstreplizierenden Prokaryoten. Dieses reduzierte Erbgut ist Ergebnis einer degenerativen Evolution aus grampositiven Bakterien, bei der viele Gene verloren gingen. Entdeckt wurde die erste Mykoplasmen-Art 1898 bei Rindern (Erreger der Lungenseuche); in der Humanmedizin gelang erst 1962 der Nachweis, dass Mycoplasma pneumoniae beim Menschen Krankheiten verursacht.
Systematik und wichtige Arten
Mykoplasmen im weiteren Sinne umfassen alle zellwandlosen Bakterien der Klasse Mollicutes. Medizinisch relevant sind v.a. Vertreter der Familie Mycoplasmataceae – dazu gehören die Gattung Mycoplasma sowie die nah verwandte Gattung Ureaplasma. Tabelle 1 gibt einen Überblick über wichtige humanmedizinische Arten und ihre typischen Krankheitsbilder:
Tabelle 1: Wichtige Mykoplasmen-Arten beim Menschen und ihre typischen Infektionen
Erreger | Typische Infektionen | Übertragung |
---|---|---|
Mycoplasma pneumoniae | Atemwegsinfektionen: Atypische Pneumonie („Walking Pneumonia“), Bronchitis, Pharyngitis; selten auch Mittelohrentzündung, sinusitis oder schwere Verläufe mit interstitieller Lungenentzündung. Vereinzelt extrapulmonale Manifestationen möglich (z. B. Hautausschläge, ZNS-Beteiligung). | Tröpfcheninfektion (aerogen durch Husten/Niesen); Mensch ist einziges Erregerreservoir. |
Mycoplasma genitalium | Urogenitalinfektionen: Nicht-gonorrhoische Urethritis (NGU) bei Männern, bei Frauen Zervizitis (Gebärmutterhalsentzündung) und mögliche Entzündung des kleinen Beckens (PID). Häufig asymptomatisch, besonders bei Frauen. Assoziiert mit Infertilität und möglicherweise Fehl- oder Frühgeburten. | Sexuell (ungeschützter Geschlechtsverkehr). Mögliche Übertragung von Mutter auf Kind bei Geburt ist nicht ausgeschlossen. |
Mycoplasma hominis | Urogenitaltrakt (opportunistisch): Meist Teil der normalen Genitalflora; kann bei Störungen Nierenbeckenentzündung (Pyelonephritis), Endometritis (Gebärmutterschleimhautentzündung) oder Wochenbettfieber verursachen. Bei immungeschwächten Personen und Neugeborenen auch invasivere Infektionen möglich. Oft jedoch klinisch unauffällig trotz Nachweis. | Sexuell übertragbar (häufige Besiedlung korreliert mit sexueller Aktivität); auch endogene opportunistische Infektion bei Immunschwäche. |
Ureaplasma urealyticum (inkl. U. parvum) | Urogenitaltrakt: Sehr häufige Besiedlung als Kommensale (bis zu 40–80 % der sexuell aktiven Frauen tragen Ureaplasmen asymptomatisch in sich). Kann bei Überwuchern Urethritis verursachen sowie Vaginalinfektionen, die zu Ausfluss und Dysurie führen. In Schwangerschaft assoziiert mit Frühzeitiger Blasensprung, Frühgeburt oder niedrigem Geburtsgewicht; bei infizierten Frühgeborenen gelegentlich Pneumonie oder Meningitis beobachtet. | Sexuell (ungeschützter Verkehr) ist Hauptübertragungsweg. Perinatal: Übertragung von Mutter auf Kind während Schwangerschaft oder Geburt möglich. In seltenen Fällen auch über Blut/Schleimhäute diskutiert. |
Anmerkung: Darüber hinaus existieren zahlreiche weitere Mykoplasmen-Arten, die jedoch meist Tiere befallen (z. B. M. bovis beim Rind, M. gallisepticum beim Geflügel). Einige Mykoplasmen wurden als mögliche opportunistische Erreger bei immungeschwächten Patienten beschrieben (z. B. Mycoplasma fermentans, M. amphoriforme), ihre genaue Rolle ist jedoch noch Gegenstand der Forschung.
Krankheitsbilder und Symptome
Mykoplasmen können beim Menschen vor allem Atemwegsinfektionen und urogenitale Infektionen hervorrufen. Charakteristisch ist oft ein eher schleichender oder chronischer Verlauf: Mykoplasmen töten den Wirt in der Regel nicht, sondern verursachen lang anhaltende, milde Infektionen – ein Zeichen ihrer guten Anpassung. Im Folgenden die wichtigsten Krankheitsbilder und Symptome nach Erregergruppe:
Atemwegsinfektionen durch Mycoplasma pneumoniae
Mycoplasma pneumoniae ist der Hauptverursacher der atypischen Lungenentzündung („Walking Pneumonia“). Nach einer Inkubationszeit von ca. 2–3 Wochen tritt häufig zunächst ein leichter Infekt des oberen Atemwegs auf (Pharyngitis, Tracheobronchitis mit Halsschmerzen). Bei etwa 3–10 % der Infizierten – insbesondere Kindern und Jugendlichen – entwickelt sich daraus eine Pneumonie. Diese beginnt meist schleichend mit trockenem Reizhusten als führendem Symptom, oft begleitet von mäßigem Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen sowie allgemeinem Krankheitsgefühl. Daher fühlen sich viele Betroffene trotz Lungenentzündung relativ wenig krank und bleiben aktiv („atypische“ Pneumonie). Häufig sind bei der Auskultation nur geringe Rasselgeräusche zu hören, und das Röntgenbild zeigt ein interstitielles Pneumoniemuster. In den meisten Fällen verläuft die Mykoplasmen-Pneumonie mild und selbstlimitierend – manche Patienten gehen trotz Infektion noch ihren täglichen Aktivitäten nach. Es können jedoch auch schwere Verläufe auftreten, die einen Krankenhausaufenthalt nötig machen, besonders bei sehr jungen Kindern oder immungeschwächten Personen. Selten kommt es zu Komplikationen oder extrapulmonalen Manifestationen: Beispielsweise Hautausschläge bis hin zu Stevens-Johnson-Syndrom, kardiale Arrhythmien, oder neurologische Symptome wie aseptische Meningitis, Enzephalitis oder Guillain-Barré-Syndrom. Diese werden teils auf fehlgeleitete Immunreaktionen zurückgeführt, da M. pneumoniae Superantigene bildet und die Bildung von Kälteagglutininen (Autoantikörpern) auslösen kann.
Urogenitale Infektionen durch Mykoplasmen
Im Urogenitaltrakt besiedeln Mykoplasmen häufig die Schleimhäute, ohne Symptome zu verursachen. Mycoplasma genitalium und Ureaplasma urealyticum zählen zu den sexuell übertragbaren Erregern (STI). Infektionen verlaufen besonders bei Frauen oft asymptomatisch (Schätzungen: 40–75 % ohne Symptome). Treten Beschwerden auf, ähneln sie denen einer Chlamydien- oder Gonokokkeninfektion:
- Bei Frauen: Brennen beim Wasserlassen, häufiger Harndrang, ungewöhnlicher vaginaler Ausfluss (teilweise übelriechend), Rötung/Entzündung im Genitalbereich und Unterleibsschmerzen. Unbehandelt können sich aufsteigende Infektionen entwickeln, z. B. Entzündung von Gebärmutter und Eileitern (PID) mit Fieber und starken Unterbauchschmerzen. Diese können zu Verklebungen der Eileiter und daraus resultierender Unfruchtbarkeit führen. Auch Komplikationen in der Schwangerschaft werden mit Mykoplasmen in Verbindung gebracht: Eine M. genitalium-Infektion erhöht möglicherweise das Risiko für Fehl- oder Frühgeburten. Ureaplasma urealyticum wird ebenfalls mit vorzeitigem Blasensprung, Frühgeburtlichkeit und Infektionen der Fruchthüllen assoziiert. Neugeborene Frühgeborene, die sich perinatal mit Ureaplasmen infizieren, können an angeborener Pneumonie oder Meningitis erkranken.
- Bei Männern: Meist äußern sich urogenitale Mykoplasmeninfektionen als Harnröhrenentzündung (Nicht-Gonokokken-Urethritis, NGU). Typische Symptome sind urethrales Brennen oder Juckreiz, Schmerzen beim Wasserlassen und gelegentlich ein klarer oder milchiger Ausfluss aus dem Penis. In manchen Fällen treten zusätzlich Prostatitis- oder Epididymitis-Symptome auf (Druckschmerz, Schwellung). Unbehandelt kann eine M. genitalium-Infektion bei Männern chronisch werden und zu Entzündungen der Prostata, der Samenleiter, Hoden und Nieren führen. Schwerwiegende Folgen wie Sterilität sind selten, aber bei ausgedehnten Entzündungen (z. B. Hodenentzündung) möglich.
Mycoplasma hominis und Ureaplasma kommen ebenfalls häufig in der normalen genitalen Flora vor und verursachen in der Regel nur bei bestimmten Umständen Symptome. M. hominis wird mit bakterieller Vaginose, Urethritis und selten mit Nierenbeckenentzündung oder postpartalen Infektionen in Verbindung gebracht. Da dieser Erreger aber bei bis zu 50 % der gesunden, sexuell aktiven Frauen nachweisbar ist, bedeutet ein Labornachweis alleine noch keine behandlungsbedürftige Infektion. Eine M. hominis-Therapie erfolgt meist nur, wenn konkrete Symptome oder eine Immunschwäche vorliegen.
Chronische Verläufe
Auffällig ist, dass Mykoplasmeninfektionen oft persistieren oder rezidivieren, wenn keine adäquate Behandlung erfolgt. M. genitalium zum Beispiel kann monatelang im Urogenitaltrakt verbleiben und immer wieder Urethritis-Schübe auslösen, bis eine gezielte Antibiotikatherapie erfolgt. Auch M. pneumoniae kann nach Abklingen der akuten Symptome noch wochenlang in den Atemwegen nachweisbar sein. Nach überstandener Mykoplasmen-Pneumonie leiden einige Patienten noch längere Zeit an Reizhusten, bronchialer Hyperreagibilität oder rezidivierendem Giemen. Ein möglicher Zusammenhang zwischen chronischen Mykoplasmen-Infektionen und der Entwicklung von Asthma bronchiale wird wissenschaftlich diskutiert. Generell tragen die langsame Vermehrung und die Fähigkeit, dem Immunsystem zu entgehen (etwa durch Leben in Zellverbänden oder innerhalb von Wirtszellen), zu diesen langwierigen Verläufen bei.
Übertragungswege
Die Ansteckung mit Mykoplasmen hängt vom Erregertyp ab:
- Atemwegsmykoplasmen (M. pneumoniae): Die Übertragung erfolgt hauptsächlich aerogen durch Tröpfcheninfektion – also Einatmen feinster Speichel-/Sekrettropfen, die beim Husten oder Niesen eines Infizierten ausgestoßen werden. Enger Kontakt, wie in Familien, Schulen, Internaten, Kasernen oder Pflegeeinrichtungen, begünstigt Ausbrüche. Häufig treten alle 3–7 Jahre lokale Epidemien auf, bei denen bis zu ~40 % der ambulant erworbenen Pneumonien durch M. pneumoniae verursacht sein können. Schmierinfektion ist seltener, aber in engem Kontakt nicht ausgeschlossen (z. B. wenn kontaminierter Schleim auf Gegenstände gelangt und dann in die Nase/Mund gerät). Eine Ansteckung über längere Zeit in geschlossenen Räumen ist wahrscheinlicher als bei kurzem Kontakt. M. pneumoniae befällt ausschließlich den Menschen; es gibt kein Tierreservoir. Interessant ist, dass Personen eine Infektion mehrfach durchmachen können – eine durchgemachte M. pneumoniae-Infektion hinterlässt also keine robuste, langfristige Immunität.
- Urogenitale Mykoplasmen (M. genitalium, Ureaplasma, M. hominis): Hauptübertragungsweg ist der sexuelle Kontakt. Die Bakterien siedeln auf Schleimhäuten von Vagina, Zervix, Harnröhre und können beim ungeschützten vaginalen, analen oder oralen Sex übertragen werden. Ein hohes Risiko besteht für sexuell aktive Menschen mit häufig wechselnden Partnern – Studien zeigen höhere Nachweisraten bei Personen mit mehreren Sexualpartnern. Kondome bieten einen gewissen Schutz, verhindern aber nicht immer die Übertragung, da Mykoplasmen auch durch engen Schleimhautkontakt weitergegeben werden können. Perinatale Übertragung: Schwangere mit Mykoplasmen im Genitaltrakt können das Bakterium während der Geburt an das Neugeborene weitergeben. Ureaplasma spp. werden beispielsweise bei vielen Frühgeborenen in der Lunge nachgewiesen und stehen im Verdacht, Neugeborenen-Pneumonien zu verursachen. Seltener diskutiert werden andere Ansteckungswege: Manche Quellen erwähnen die Möglichkeit einer Übertragung über Speichel oder Blut, was jedoch nicht sicher belegt ist. Insgesamt gelten Mykoplasmen der urogenitalen Gruppe klassisch als STI-Erreger. Daher zählen regelmäßige STI-Tests bei Risikogruppen (z. B. Personen mit häufig wechselnden Sexualpartnern) zu den präventiven Empfehlungen.
Diagnostik
Der Nachweis von Mykoplasmen ist anspruchsvoll, da diese Erreger besondere Anforderungen haben. Folgende Methoden stehen zur Verfügung:
- Nukleinsäure-Amplifikationstests (NAAT): In der Praxis ist der PCR-Nachweis die Methode der Wahl für Mykoplasmen. Mittels Polymerase-Kettenreaktion können schon geringste Mengen von Mykoplasmen-DNA/RNA in Patientenproben nachgewiesen werden. Für M. pneumoniae werden hierfür Rachen- oder Nasopharynx-Abstriche, Bronchialsekret oder Sputum verwendet; für urogenitale Mykoplasmen Vaginal- oder Zervixabstriche bei Frauen bzw. Erststrahlurin oder urethrale Abstriche bei Männern. PCR ist sehr sensitiv und spezifisch und liefert oft binnen Stunden ein Ergebnis. Ein Vorteil ist, dass PCR auch bei bereits antibiotisch vorbehandelten Patienten funktionieren kann. Kommerzielle Multiplex-PCR-Panel für Atemwegsinfekte beinhalten oft M. pneumoniae, ebenso gibt es STI-PCR-Panel, die M. genitalium detektieren. Aufgrund der überlegenen Empfindlichkeit gilt PCR heute als Goldstandard beim Mykoplasmen-Nachweis. Selbsttest-Option: Einige Anbieter bieten Heimtest-Kits an, bei denen Patienten selbst Proben entnehmen (etwa Vaginalabstrich oder Morgenurin) und ans Labor senden können. Studien zeigen, dass korrekt gewonnene Selbstproben ähnlich zuverlässig sind wie ärztlich entnommene Proben. Solche Selbsttests richten sich vor allem auf urogenitale Mykoplasmen (im Rahmen von STI-Heimtests). Wichtig ist, dass die Proben unter geeigneten Bedingungen ins Labor gelangen, da die Analyse (PCR) weiterhin durch Fachlabore erfolgt – einen echten Schnelltest für Zuhause (wie z.B. einen Urinstreifentest) gibt es für Mykoplasmen derzeit nicht.
- Kultureller Nachweis: Mykoplasmen lassen sich auf speziellen Nährmedien anzüchten, was den Vorteil bietet, lebende Erreger nachzuweisen und auch Antibiotika-Empfindlichkeiten zu testen. Allerdings ist die Kultur sehr aufwändig und langwierig. Aufgrund des langsamen Wachstums dauert es 1–3 Wochen, bis Mykoplasmen-Kolonien sichtbar werden. Diese Kolonien sind winzig (10–600 µm) und haben ein charakteristisches „Spiegelei“-Aussehen (dichter Kern mit durchscheinendem Hof). M. hominis und Ureaplasma können auf speziellen Agarplatten angezüchtet werden, spielen aber in der Routine kaum noch eine Rolle. M. pneumoniae ist ebenfalls schwierig zu kultivieren und wird selten angezüchtet. M. genitalium lässt sich praktisch nicht in Standardkultur nachweisen – für diesen Erreger ist die Kultur ungeeignet. Wegen dieser Einschränkungen wird die kulturelle Diagnostik heute überwiegend in Forschungslabors oder Speziallaboratorien durchgeführt.
- Serologie (Antikörpertests): Insbesondere bei M. pneumoniae kann ein indirekter Nachweis über Antikörper im Blut hilfreich sein. Etwa ab der 2. Infektionswoche bildet der Körper IgM-Antikörper, später IgG, gegen M. pneumoniae. Ein signifikanter Titeranstieg oder der Nachweis von spezifischem IgM im akuten Stadium spricht für eine frische Infektion. Serologie ist nützlich, wenn keine geeignete Probe für PCR gewonnen wurde oder die Infektion schon etwas zurückliegt. Allerdings kann bei Mykoplasmen die Antikörperantwort schwach ausfallen oder lange anhalten – was die Interpretation erschwert. Kreuzreaktionen mit anderen Mykoplasmen können ebenfalls vorkommen. Für die akute Diagnostik (z. B. bei atypischer Pneumonie) wird die Serologie manchmal ergänzend zur PCR eingesetzt. Bei urogenitalen Mykoplasmen ist die Antikörperdiagnostik weniger gebräuchlich, da Infektionen oft lokal begrenzt sind und keine starke systemische Immunantwort triggern. Moderne serologische Schnelltests (etwa IgM-Schnellkarten) existieren, haben aber variable Empfindlichkeit und sind nicht allgemein etabliert.
Meldepflicht: In Deutschland unterliegen Mykoplasmen-Infektionen (mit Ausnahme einiger Tierseuchen) derzeit nicht der behördlichen Meldepflicht. Eine Ausnahme bildet Sachsen, wo M. pneumoniae-Nachweise meldepflichtig sind. Das Fehlen einer Meldepflicht erschwert die Überwachung von Ausbrüchen, sodass man sich hier auf Sentinel-Erhebungen und Studien verlassen muss.
Behandlung
Die Therapie von Mykoplasmen-Infektionen erfolgt mit Antibiotika, die an zellwandunabhängigen Angriffspunkten wirken, da β-Laktam-Antibiotika wirkungslos sind. Die Wahl des Wirkstoffs richtet sich nach Erregertyp, Infektionsort und Resistenzlage:
- Makrolide: Diese Antibiotikaklasse (z.B. Azithromycin, Erythromycin, Clarithromycin) hemmt die bakterielle Proteinsynthese und ist 1. Wahl bei vielen Mykoplasmen. Azithromycin wird häufig aufgrund der guten Wirksamkeit und kurzen Therapiedauer eingesetzt (z.B. einmalig 1,5 g in geteilten Dosen über 5 Tage). Bei M. pneumoniae-Pneumonie können 5–7 Tage Clarithromycin oder eine Kurztherapie mit Azithromycin genügen. Auch Urogenitalinfektionen (M. genitalium) wurden lange mit einmalig 1 g Azithromycin behandelt. Zunehmende Makrolid-Resistenzen schränken jedoch die Verlässlichkeit ein. Insbesondere M. genitalium zeigt weltweit eine alarmierende Resistenzentwicklung: In Großbritannien wiesen 2023 über 60 % der untersuchten M. genitalium-Stämme Resistenzmutationen gegen Makrolide auf. Bei M. pneumoniae bleiben die Makrolidresistenzen in Europa bislang niedriger (meist <10 %, in Deutschland ~2–3 %), während in Teilen Asiens Berichte von >90 % resistenten Stämmen existieren. Klinisch zeigt sich eine Makrolidresistenz durch ausbleibende Besserung trotz Therapie. Bei M. genitalium-Infektionen wird heute empfohlen, wenn möglich eine Resistenztestung (PCR-Nachweis der 23S-rRNA-Mutation) durchzuführen. Ist diese nicht verfügbar, wird teils eine sequenzielle Therapie angewandt (erst Doxycyclin zur Lastreduktion, dann verlängertes Azithromycin-Regime). Wichtig: Eine unkritische oder zu kurz dosierte Makrolid-Gabe kann Resistenzen begünstigen – daher Therapieschema genau einhalten.
- Tetrazykline: Doxycyclin ist ein breit eingesetztes Zweitlinienantibiotikum bei Mykoplasmen. Es hemmt ebenfalls die Proteinsynthese. Doxycyclin (100 mg zweimal täglich) über 7–14 Tage wird bei urogenitalen Mykoplasmen als Alternative gegeben, insbesondere wenn Makrolide versagen oder kontraindiziert sind. Gegen M. pneumoniae ist Doxycyclin (200 mg täglich) über 10–14 Tage ebenfalls effektiv, darf aber bei Kindern <8 Jahren wegen Zahn- und Knochenschäden nicht eingesetzt werden. Tetrazykline sind gegen M. genitalium jedoch weniger wirksam – Heilungsraten von nur ~30 % –, daher eher zur Vorbehandlung oder in Kombination sinnvoll. M. hominis hingegen spricht auf Doxycyclin meist gut an, da dieser Erreger natürlicherweise resistent gegen Makrolide ist (aufgrund fehlender Bindungsstelle). Insgesamt sind Tetrazykline wertvolle Alternativen, aber durch Resistenzentwicklungen (v.a. in U. urealyticum) und Nebenwirkungen (Photosensitivität, KI in Schwangerschaft) limitiert.
- Fluorchinolone: Atemwegschinolone wie Moxifloxacin oder Levofloxacin wirken gegen Mykoplasmen (Hemmung der DNA-Gyrase/Topoisomerase) und werden insbesondere eingesetzt, wenn Makrolide versagen oder nicht angezeigt sind. Bei M. pneumoniae-Pneumonien kommen z.B. Levofloxacin 500 mg täglich für 7–14 Tage oder Moxifloxacin 400 mg täglich für 7–14 Tage in Betracht. Für M. genitalium ist Moxifloxacin (400 mg täglich für 7–10 Tage) die empfohlene Zweitlinien-Therapie nach Makrolidversagen. Die Wirksamkeit von Moxifloxacin war lange hoch (Kuration ~95 %), allerdings mehren sich Berichte über Fluorchinolon-resistente M.-genitalium-Stämme. In einer UK-Studie 2023 waren ~12 % der MG-Fälle bereits gegen Fluorchinolone resistent. Dual resistente Isolate (gegen Makrolide und Chinolone) wurden in ~10 % der Fälle gefunden – ein therapeutisches Dilemma. Chinolone sind zudem aufgrund von Nebenwirkungen (z.B. Sehnenreizungen) Reserveantibiotika. Bei schweren M. pneumoniae-Verläufen oder KI gegen Makrolide (etwa bei Allergie) stellen sie aber eine wichtige Option dar. Eine Behandlung dauert je nach Schwere 7 bis 14 Tage. Zu beachten: Bei Kindern sind Chinolone nicht zugelassen bzw. nur off-label, daher bei pädiatrischen Pneumonien bevorzugt Makrolide einsetzen (sofern sensibel).
- Reserveoptionen: Falls sowohl Makrolide als auch Chinolone versagen (z.B. bei multiresistentem M. genitalium), stehen nur noch eingeschränkt Mittel zur Verfügung. In einzelnen Fällen wurde das Streptogramin-Antibiotikum Pristinamycin (in Deutschland nicht regulär erhältlich) erfolgreich angewandt, das in Frankreich als Reservemittel gegen MG eingesetzt wird – es erzielte etwa 70–80 % Eradikationsrate bei sonst resistenten Stämmen. Auch Clindamycin (ein Lincosamid) wirkt gegen M. hominis und Ureaplasma und wird z.B. bei Schwangeren manchmal genutzt, da Doxycyclin kontraindiziert ist. M. hominis und Ureaplasma sind in vitro meist sensibel auf Clindamycin, während M. genitalium oft resistent ist. Neue Antibiotika wie Solithromycin (ein Ketolid) wurden in Studien gegen Makrolid-resistente M. pneumoniae getestet, sind aber noch nicht etabliert. Insgesamt erfordert die Behandlung komplizierter Mykoplasmen-Infektionen eine spezialisierte Beratung (z.B. Infektiologen), insbesondere bei Resistenzen.
Therapiedauer: Die Behandlungsdauer richtet sich nach Infektionstyp und Antibiotikum. Da Mykoplasmen keine Zellwand haben, wirken bakterizide Antibiotika weniger gut – die Mittel hemmen eher das Wachstum, sodass das Immunsystem die Erreger beseitigen muss. Deshalb sind ausreichend lange Therapieintervalle wichtig. Üblich sind z.B.: 5 Tage Azithromycin (oder 1 Tag hochdosiert), 7–14 Tage Doxycyclin, 7–10 Tage Moxifloxacin, 10–14 Tage bei schweren Pneumonien. Studien legen nahe, dass eine 5-Tage-Azithromycinkur gegenüber einer Einmalgabe Vorteile hat (höhere Eradikation, weniger Resistenzentwicklung). Bei mykoplasmatischer Pneumonie verkürzt eine adäquate Antibiotikatherapie die Krankheitsdauer, beeinflusst aber nicht unbedingt die Nachweisdauer der Erreger-DNA. Daher wird kein routinemäßiger Test-of-Cure per PCR empfohlen, da die Nukleinsäure noch Wochen nach erfolgreicher Therapie nachweisbar sein kann. Wichtiger ist die klinische Besserung. Sollte diese ausbleiben, muss an Resistenz oder Fehlbesiedlung (z.B. Chlamydien als Ursache der Urethritis) gedacht werden.
Prävention und Hygienemaßnahmen
Einen Impfstoff gegen Mykoplasmen gibt es bislang nicht – weder für M. pneumoniae noch für M. genitalium ist eine Impfung verfügbar. Vorbeugung stützt sich daher auf allgemeine Hygieneregeln und Verhaltensweisen:
- Atemwegsinfektionen: Ähnlich wie bei anderen respiratorischen Erregern hilft gutes Hygieneverhalten, die Verbreitung von M. pneumoniae einzudämmen. Händewaschen mit Seife, vor allem nach dem Naseputzen, Husten oder Kontakt mit Sekreten, ist essenziell. In Gemeinschaftseinrichtungen (Schulen, Kasernen) sollte im Ausbruchsfall auf regelmäßiges Lüften und Abstand geachtet werden. Husten- und Nies-Etikette: Man sollte in die Armbeuge oder ein Einmaltaschentuch husten/niesen und das Tuch danach entsorgen. Diese einfachen Maßnahmen reduzieren die Anzahl erregerhaltiger Tröpfchen in der Umgebung. Da Menschen sich mehrfach anstecken können und symptomfreie Träger existieren, ist vollständige Vermeidung schwierig. Eine Postexpositions-Prophylaxe mit Antibiotika wird nicht empfohlen. Bei diagnostizierter Mykoplasmen-Pneumonie ist keine strikte Isolation nötig, aber Erkrankte sollten möglichst zuhause bleiben, bis sie 1–2 Tage antibiotisch behandelt sind und sich besser fühlen, um Ansteckungen zu vermeiden.
- Urogenitale Infektionen: Hier steht Safer Sex im Vordergrund. Kondome verringern das Übertragungsrisiko von M. genitalium, Ureaplasma und anderen STI deutlich. Sie sollten besonders bei neuen oder wechselnden Partnern konsequent genutzt werden. Darüber hinaus empfehlen Experten regelmäßige Screenings auf Chlamydien, Gonokokken und Mykoplasmen für Personen mit hohem Risiko (z. B. sehr sexuell aktive Menschen, Sexarbeitende), auch wenn keine Symptome vorliegen. Schwangere mit früheren Fehl- oder Frühgeburten könnten auf Ureaplasmen getestet werden, da eine Behandlung mit Makroliden in der Schwangerschaft das Komplikationsrisiko senken könnte. Generell gilt: Aufklärung über STI und frühzeitige Behandlung schützen sowohl den Betroffenen als auch seine Partner. Partner von Mykoplasmen-positiven Patienten sollten mit untersucht und ggf. mitbehandelt werden (Partnerbehandlung), um Ping-Pong-Infektionen zu vermeiden.
- Umgang mit kontaminierten Materialien: In Laboren und Zellkulturen gelten Mykoplasmen als gefürchtete Kontaminanten. Hier werden spezielle Filter und regelmäßige Mykoplasmen-Tests eingesetzt, um Kulturen frei von Mykoplasmen zu halten. Für den Alltagsbereich spielen diese technisch orientierten Präventionsmaßnahmen aber keine Rolle.
Relevanz für bestimmte Bevölkerungsgruppen
- Sexuell aktive Personen: Da M. genitalium erst seit relativ kurzer Zeit (1980er Jahren) als STI erkannt wurde, ist das Bewusstsein für diese Infektion noch im Aufbau. Junge, sexuell aktive Menschen (<25 Jahre) haben die höchsten Infektionsraten, vergleichbar mit Chlamydien. Bis zu ~1 % der Allgemeinbevölkerung tragen M. genitalium, bei Besucher*innen von STI-Kliniken wurden in Studien sogar bis zu 20–30 % positiv getestet. Wer ungeschützten Geschlechtsverkehr mit neuen Partnern hat, sollte neben HIV, Syphilis, Chlamydien und Gonorrhoe auch Mykoplasmen in Betracht ziehen – vor allem bei anhaltenden Beschwerden wie einer Urethritis. Heimtests und Online-Labors ermöglichen diskrete Tests, doch eine ärztliche Beratung ist wichtig, da die Behandlung komplex sein kann (Resistenzen!). Auch Ureaplasmen sind quasi ubiquitär bei sexuell Aktiven: Bis zu 90 % der Frauen und 20 % der Männer haben eine Besiedlung, ohne krank zu sein. Ein positives Testergebnis ohne Symptome sollte daher mit Bedacht interpretiert werden, um Übertherapie zu vermeiden. Insgesamt profitieren sexuell aktive Personen von umfassender STI-Aufklärung – Mykoplasmen sollten dabei mit erwähnt werden.
- Schwangere: In der Schwangerschaft können Mykoplasmen ein besonderes Risiko darstellen. M. hominis und Ureaplasma werden mit Infektionen der Eihäute (Chorioamnionitis) in Verbindung gebracht, die einen vorzeitigen Blasensprung und Frühgeburt auslösen können. Auch Totgeburten wurden in Einzelfällen auf solche Infektionen zurückgeführt. Neugeborene, die sich im Mutterleib infizieren, tragen ein erhöhtes Risiko für Lungenentzündung oder Hirnhautentzündung kurz nach der Geburt. Daher wird bei Schwangeren mit wiederholten Fehl-/Frühgeburten oder Symptomen (z.B. Bakterieller Vaginose) oft auf Ureaplasmen getestet. Die Behandlung erfolgt dann mit Makrolid-Antibiotika wie Erythromycin oder Josamycin, die in der Schwangerschaft zugelassen sind. Wichtig: Eine routinemäßige Screening-Untersuchung auf Mykoplasmen wird derzeit nicht für alle Schwangeren empfohlen, da unklar ist, ob eine Behandlung asymptomatischer Besiedlungen das Outcome verbessert. Dennoch sollten Schwangere mit Symptomen (z.B. vaginale Infektion, vorzeitige Wehentätigkeit unklarer Ursache) auf Mykoplasmen untersucht werden. M. genitalium kann bei Schwangeren ebenfalls Zervizitiden verursachen; aufgrund der Resistenzproblematik gestaltet sich die Therapie aber schwierig – Azithromycin kann versucht werden, alternative Antibiotika sind limitiert (Doxycyclin ist kontraindiziert, Moxifloxacin in der Schwangerschaft nicht zugelassen).
- Immungeschwächte Patienten: Bei Personen mit geschwächtem Immunsystem (etwa wegen HIV-Infektion, immunsuppressiver Therapie, angeborenen Immundefekten) können Mykoplasmen-Infektionen schwerer und atypischer verlaufen. Eine Pneumonie mit M. pneumoniae kann bei Immunsupprimierten rasch progredient verlaufen oder häufiger extrapulmonale Komplikationen verursachen. Zudem können ungewöhnliche Mykoplasmen-Spezies Infektionen auslösen, die bei Immungesunden kaum je krank machen. In der Literatur sind Fälle von Arthritis, septischer Polyarthritis oder generalisierten Infektionen durch seltene Mykoplasmen bei Immunsupprimierten beschrieben. Beispielsweise wurde Mycoplasma fermentans als möglicher Co-Faktor bei AIDS-Patienten diskutiert. Auch eine Spezies Mycoplasma amphoriforme wurde erst bei einem Patienten mit Antikörpermangelsyndrom als Atemwegserreger entdeckt. Für Ärzte ist es wichtig, bei schwer kranken, immungeschwächten Patienten mit unklaren Infektionen auch an Mykoplasmen zu denken. Gegebenenfalls sollten breitere diagnostische Methoden (PCR-Panels, Spezialkulturen) eingesetzt werden. Die Behandlung solcher Patienten erfolgt wie beschrieben, jedoch kann die Therapiedauer länger und der Erfolg unsicherer sein, da das Immunsystem weniger mithilft. In besonderen Fällen wurden auch kombinierte Therapien (z.B. Makrolid + Chinolon) eingesetzt, obwohl evidenzbasierte Empfehlungen fehlen.
Aktuelle Forschung und Herausforderungen
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Mykoplasmen ist intensiv, da diese Organismen in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich sind. Mehrere aktuelle Themen sind hervorzuheben:
- Antibiotikaresistenzen: Die rasante Zunahme von Resistenzen bei M. genitalium hat weltweit Besorgnis ausgelöst. Forscher arbeiten an verbesserten Diagnosetests, um Resistenzen schnell (idealerweise direkt bei der PCR) mit nachzuweisen. In einigen Ländern (z. B. Australien, UK) sind bereits PCR-Tests verfügbar, die 23S-rRNA-Mutationen detektieren und somit Makrolidresistenzen innerhalb eines Tages aufdecken. Die Entwicklung neuer Therapieprotokolle wird erprobt – etwa eine initiale Doxycyclin-Gabe zur Reduktion der Bakterienlast, gefolgt von einem verlängerten Azithromycin-Regime, um Resistenzmutationen weniger Chancen zur Selektion zu geben. Parallel dazu läuft die Suche nach neuen Wirkstoffen. So wurde das Ketolid Solithromycin als mögliche Alternative bei Makrolid-resistenten M. pneumoniae getestet, zeigte aber Nebenwirkungsprobleme. Pristinamycin, ein älteres Antibiotikum, erlebt eine Renaissance als Reservemittel gegen resistente M. genitalium. Die Herausforderung besteht darin, wirksame Medikamente zu finden, die auch das extrem kleine Mykoplasmen-Genom nicht rasch durch Mutationen umgehen kann.
- Diagnostische Verbesserungen: Klassisch war der Mykoplasmen-Nachweis langwierig (Kultur) oder indirekt (Serologie). Moderne Ansätze zielen auf Point-of-Care-Tests ab – etwa schnelle molekulare Tests, die in der Arztpraxis oder sogar zuhause durchgeführt werden könnten. Aktuell gibt es Forschung zu LAMP (Loop-mediated Isothermal Amplification) für M. pneumoniae, die innerhalb <1 Stunde ein Ergebnis liefern könnte. Auch Multiplex-Schnelltests für atypische Pneumonieerreger (inkl. M. pneumoniae) werden entwickelt, um z.B. in Notaufnahmen rasch die Pneumonie-Ursache zu finden. Eine weitere Hürde ist die Sensitivität von Selbsttests: Während professionelle Labore sehr niedrige Erregermengen nachweisen können, müssen Heimtests robust gegenüber suboptimaler Proben sein. Hier wird an besseren Probenahme-Kits (z. B. Vaginalabstrich-Geräte für Laien) gearbeitet. Digital Health: In Zukunft könnten Smartphone-gekoppelte NAAT-Geräte oder Telemedizin-Dienste es ermöglichen, dass Patienten sich auf STIs wie Mykoplasmen selbst testen und schnell Behandlung erhalten. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass positive Ergebnisse in die medizinische Betreuung münden – Mykoplasmen sind kein DIY-Infekt, den man ohne Arzt behandeln sollte.
- Impfstoffforschung: Obwohl es derzeit keinen Impfstoff gibt, wird untersucht, ob eine Immunisierung gegen M. pneumoniae machbar wäre. Die Entwicklung ist schwierig, da Mykoplasmen aufgrund ihrer ständigen Antigenvariation und ihrer Ähnlichkeit zu menschlichen Zellbestandteilen dem Immunsystem entgehen und Autoimmunreaktionen triggern können. Bisherige Impfstoffversuche lieferten unbefriedigende Ergebnisse oder führten zu verstärkten Entzündungsreaktionen. Dennoch bleibt es ein Forschungsziel, insbesondere um wiederkehrende Ausbrüche bei Schulkindern zu verhindern. Für STI-Mykoplasmen (M. genitalium) ist ein Impfstoff noch ferner, da diese Infektion erst seit kurzem in den Fokus gerückt ist.
- Synthetische Biologie: Mycoplasma genitalium besitzt mit ~580 kbp eines der kleinsten Genome überhaupt – was es zum Modellorganismus für Minimalgenomforschung macht. 2008 gelang es Forschern um Craig Venter, das komplette Genom von M. genitalium künstlich zu synthetisieren und in eine Zelle zu implantieren. Dieses Projekt mündete 2010 in die Schaffung von Mycoplasma laboratorium, einer synthetischen Minimalzelle mit nur 473 Genen, basierend auf Mykoplasmen-Erbgut. Die Erkenntnisse daraus helfen zu verstehen, welche Gene für Leben unabdingbar sind (M. genitalium hat z.B. kein Gen für Aminosäuresynthese, es ist auf den Wirt angewiesen). Diese Forschung hat zwar nicht direkt klinische Anwendung, zeigt aber die außergewöhnliche Reduktionsbiologie der Mykoplasmen und könnte langfristig z.B. zu maßgeschneiderten Impfstoff-Stämmen führen.
- Zusammenhang mit chronischen Erkrankungen: Ein spannendes Feld ist die Frage, inwiefern Mykoplasmen an chronischen Krankheiten beteiligt sind. Studien untersuchen, ob wiederholte M. pneumoniae-Infektionen bei Kindern zur Entwicklung von Asthma beitragen könnten (hypothesisiert durch anhaltende Entzündung oder Autoimmunmechanismen). Andere Arbeiten schauen auf Mykoplasmen als Auslöser von chronischem Beckenschmerzsyndrom oder chronischer Prostatitis bei Männern, wo manchmal M. genitalium im Prostatasekret gefunden wurde. Bisher sind solche Zusammenhänge nicht endgültig bewiesen, aber die Forschung läuft.
Zusammenfassend sind Mykoplasmen aufgrund ihrer einzigartigen Biologie und ihrer Bedeutung als Krankheitserreger ein wichtiges Thema für Medizin und Forschung. Für medizinisch interessierte Laien – insbesondere Nutzer von Selbsttests – gilt: Mykoplasmen-Infektionen lassen sich heute gut diagnostizieren und in den meisten Fällen erfolgreich behandeln, erfordern aber Bewusstsein für die Symptome, konsequente Diagnostik (meist via PCR) und gezielte Therapie unter Berücksichtigung möglicher Resistenzen. Mit einfachen Hygienemaßnahmen und Safer Sex kann vielen Infektionen vorgebeugt werden. Die rasanten Fortschritte in der Mykoplasmen-Forschung lassen hoffen, dass zukünftige Herausforderungen – von Resistenzen bis zu Impfstoffen – erfolgreich gemeistert werden können.
📚 Quellenverzeichnis
- RKI-Ratgeber: Robert Koch-Institut – Mycoplasma pneumoniae (Epidemiologie, Diagnostik, Therapieempfehlungen).
- CDC – Mycoplasma genitalium: Informationen der US-Gesundheitsbehörde zu M. genitalium als „Emerging STI“.
- CDC – Mycoplasma pneumoniae: Umfangreiches FAQ zu M. pneumoniae (Übertragung, Prävention, Krankheitslast).
- DocCheck Flexikon: „Mykoplasmen“, „Mycoplasma pneumoniae“, „Mycoplasma genitalium“ – freie medizinische Nachschlagewerke mit kompakten Übersichten.
- Praxis Dr. Rupprecht, Berlin: Mykoplasmen & Ureaplasmen – Symptome, Diagnose, Therapie – Ausführlicher Patienteninfo-Artikel mit Schwerpunkt auf M. genitalium und M. hominis.