Eine Myokarditis ist eine Entzündung des Herzmuskelgewebes (Myokards). Betroffen sein können dabei auch die Nachbarstrukturen, z.B. Perikard (Herzbeutel) – man spricht dann von einer Perimyokarditis. Typische erste Symptome sind oft unspezifisch: Nach einer Infektion oder Erkältung treten anhaltende Brustschmerzen, Atemnot bei geringer Belastung sowie Herzrasen oder Stolpern (Palpitationen) auf. Warnzeichen sind plötzliches Verschlimmern (z.B. starke Luftnot, Synkope/Ohnmacht, rasant schlechter Allgemeinzustand) sowie Neuauftreten von Herzrhythmusstörungen. Diese Selbstbeobachtungszeichen – insbesondere starke, andauernde Brustschmerzen oder plötzliche Kreislaufprobleme – sollten rasch ärztlich abgeklärt werden.
Definition und medizinischer Hintergrund
Definition: Eine Myokarditis bezeichnet eine akute oder chronische Entzündung des Herzmuskels. Im Gegensatz zum Herzinfarkt beruht die Schädigung hier auf Infektion oder Entzündung und nicht auf Durchblutungsstörungen. Mediziner unterscheiden infektiöse (v.a. virale) Myokarditiden von autoimmunen, toxischen oder allergischen Formen. Eine Myokarditis kann isoliert auftreten oder mit einer Perikarditis einhergehen (Perimyokarditis). Häufiger Betroffene sind junge Erwachsene und Kinder, während schwere Verläufe bei bestimmten Erregern (z.B. Diphtherie, Chagas-Krankheit) oder Formen wie der Riesenzell‑Myokarditis (giant-cell) auftreten. Historisch wurde die Myokarditis erstmals pathologisch erkannt (Mikroskopie, Dallas-Kriterien seit 1986), heute stehen uns neben der Biopsie moderne Bildgebungsverfahren zur Verfügung.
Ursachen
Myokarditiden haben viele Auslöser. Die häufigsten Ursachen sind:
- Virale Infektionen: Am häufigsten Viren wie Coxsackie-B, Parvovirus B19, influenzaviren (Flu), Adenoviren sowie SARS-CoV-2. In den 1980er Jahren dominierten Enteroviren; aktuell findet man auch Parvovirus, Herpesviren (HSV6, CMV) u.a.. Viren infizieren Herzmuskelzellen, schädigen sie direkt und lösen eine Immunreaktion aus.
- Bakterielle Erreger: Seltener bakteriell, z.B. im Rahmen einer Lyme-Borreliose (Borrelien) oder Septikämien mit Staphylokokken oder Streptokokken. Auch Diphtherie (heute sehr selten) und andere schwere Infektionen können eine Myokarditis hervorrufen.
- Autoimmunreaktionen: Systemische Autoimmunerkrankungen (wie systemischer Lupus erythematodes, Sarkoidose, rheumatoide Arthritis, Vaskulitiden) können sekundär eine Myokarditis verursachen. Manchmal entwickelt sich nach einer Infektion eine anhaltende autoimmune Herzmuskelentzündung (humoral oder zellvermittelt). Spezielle Formen sind die Riesenzellmyokarditis (giant-cell), oft mit schlechter Prognose, sowie die eosinophile Myokarditis bei Allergien oder Parasiten.
- Toxische und medikamentöse Ursachen: Bestimmte Drogen (z.B. Kokain, Amphetamine) und Gifte schädigen den Herzmuskel. Auch Arzneimittel können eine Myokarditis auslösen: Chemotherapeutika (insbesondere Anthrazykline wie Doxorubicin), Zytostatika (Cyclophosphamid, 5-FU), Tyrosinkinase-Inhibitoren und neuere Krebsmedikamente wie Checkpoint-Inhibitoren (Immunkontrollpunkthemmer). Auch einige Antibiotika oder psychotrope Medikamente (z.B. Clozapin, trizyklische Antidepressiva) sind beschrieben. Hypersensitivitätsreaktionen (z.B. auf Medikamente oder Impfstoffe) führen ebenfalls zu Myokarditis; historisch trat z.B. nach Pockenimpfungen gelegentlich eine Myokarditis auf.
- Andere Ursachen: Gelegentlich Strahlentherapie im Thoraxbereich oder Traumata (z.B. post-operatives Syndrom) und Infektionen mit Parasiten (Toxoplasma, Trypanosoma cruzi, eher in Tropen). Insgesamt überwiegen heute virale und autoimmune Mechanismen.
Pathophysiologie und Verlauf
Der Krankheitsprozess beginnt meist mit einer Infektion des Herzmuskels (akute Phase), in der Viren Herzmuskelzellen (Myozyten) direkt zerstören (zytopathischer Effekt). Parallel reagiert das Immunsystem: Zunächst treten angeborene Abwehrzellen (Makrophagen, Natürliche Killerzellen) in Aktion, dann spezifische T- und B-Lymphozyten. Oft gerät die Immunreaktion außer Kontrolle: Durch molekulare Mimikry bilden sich kreuzreaktive Autoantikörper und T-Zellen, die nun Myokardantigene angreifen. So entsteht eine chronische Entzündung, selbst wenn das Virus verschwunden ist. Diese überschießende Immunreaktion kann den Herzmuskel langanhaltend schädigen.
Man unterscheidet drei grobe Verlaufsformen: In vielen Fällen heilt die Myokarditis selbstlimitierend aus, das Myokard regeneriert sich weitgehend (leichter Verlauf). In anderen Fällen dominiert die rhythmische Manifestation, es kommt zu anhaltenden Arrhythmien (Rhythmus‑form). Schließlich führen manche Myokarditiden – insbesondere schwere oder chronische Entzündungen – zu einer Dilation und Schwäche des Ventrikels (Herzinsuffizienz‑Form). Das Myokard kann dabei dauerhaft fibrotisch umbaut werden (dilatative Kardiomyopathie). Klinisch korreliert dies mit Symptomen von Herzschwäche, teils mit Schädigung der Pumpfunktion (HFrEF) oder vorwiegend diastolischer Funktionsminderung (HFpEF).
Symptome und klinische Zeichen
Die Beschwerden reichen von unauffällig bis lebensbedrohlich. Häufige Symptome sind:
- Brustschmerzen: Oft stechend oder drückend retrosternal. Sie können atemabhängig oder ruhedolent sein, ähneln manchmal einem Herzinfarkt.
- Atemnot (Dyspnoe): Zunächst bei Belastung, später auch in Ruhe. Kurzatmigkeit nach kurzer Mühe ist ein Zeichen einer verminderter Pumpfunktion.
- Herzklopfen/Palpitationen: Unregelmäßiger oder schneller Herzschlag durch Arrhythmien (Extrasystolen, Tachykardie, Vorhofflimmern).
- Allgemeinsymptome: Müdigkeit, Schwächegefühl, Leistungsknick. Leichtes Fieber oder grippeähnliche Symptome können in der akuten Infektionsphase auftreten.
- Schwindel, Ohnmacht (Synkope): Besonders bei schweren Verläufen oder drohender Herzinsuffizienz/Arrhythmien kann es zu Bewusstseinsverlust kommen.
- Herzinsuffizienz-Zeichen: Bei fortgeschrittener Schädigung Flüssigkeitsretention: geschwollene Beine, Halsvenenstau, vermehrtes nächtliches Wasserlassen.
Klinisch lassen sich in der Untersuchung manchmal unspezifische Befunde finden: Tachykardie, ein 3. Herzton (Gallop) bei Herzinsuffizienz, ggf. ein Perikardreiben (bei begleitender Perikarditis). Oft ist der Befund aber eher unauffällig.
Diagnostik
Die Diagnostik zielt darauf ab, Entzündung und Funktionsstörung des Herzens nachzuweisen und andere Ursachen (z.B. Herzinfarkt) auszuschließen. Wichtige Untersuchungen sind:
- Bluttests: Erhöhte Herzmuskelenzyme wie Troponin T/I und CK-MB deuten auf Myozytschäden hin. Es finden sich meist auch erhöhte Entzündungswerte (C‑reaktives Protein, BSG, Leukozytose). Spezifische Virus- oder Autoantikörpernachweise spielen nur eine ergänzende Rolle.
- Elektrokardiogramm (EKG): Oft unspezifisch. Möglich sind diffuse ST-Strecken-Veränderungen (Hebungen oder Senkungen), T-Wellen‑Abflachungen oder -Inversionen. Bei Perimyokarditis finden sich typischerweise konkav geformte ST-Hebungen mit PR-Senkungen. AV-Blockierungen (z.B. 1.° AV-Block) können auftreten.
- Herzultraschall (Echokardiographie): Zeigt Pumpfunktion und Wandbewegungen. Bei Myokarditis können regionale oder globale Kontraktionsstörungen und Herzklappenschäden sichtbar werden; häufig findet man perikardiale Flüssigkeit oder vergrößerte Kammern.
- Herz-MRT (Kardio-MRT/CMR): Sehr wichtiges bildgebendes Verfahren. Durch spezielle Sequenzen (T2-gewichtetes Gewebeödem, Kontrastmittelverteilung) lassen sich entzündlich veränderte Areale im Myokard darstellen. Eine CMR mit nachgewiesener Myokard‑Ödem und typischem Muster der Kontrastmittel-Anreicherung (Late Gadolinium Enhancement) ist mit etwa 79% Sensitivität effektiv für die Diagnose akuter Myokarditis.
- Endomyokardbiopsie (EMB): Der histologische Nachweis von Infiltraten mit Lymphozyten/Immunzellen und Nekrosen ist der Goldstandard. Aufgrund des invasiven Charakters wird die Biopsie aber nur in speziellen Situationen empfohlen: etwa bei fulminantem Verlauf mit rascher Verschlechterung, neu aufgetretener, nicht erklärbarer Herzinsuffizienz oder therapieresistenten Arrhythmien. Nach ESC/ACC-Empfehlungen soll EMB vor allem bei hohem klinischem Risiko erfolgen.
Die Diagnose stützt sich also auf Kombination aus Klinik, Labor und bildgebenden Befunden. Es müssen immer akuter Herzinfarkt (Myokardinfarkt) und andere kardiale Ursachen ausgeschlossen werden.
Verlauf und Prognose
Die Aussichten bei einer Myokarditis sind sehr unterschiedlich. Leichte Verläufe heilen meist vollständig aus; bei 50–70% der viralen Myokarditiden sind nach einigen Wochen keine bleibenden Schäden nachweisbar. Bei etwa 15% entwickelt sich jedoch eine chronische Erkrankung mit fortschreitender Dilatation des Ventrikels und Herzinsuffizienz. Die Gesamtletalität wird je nach Studienangaben mit ~1–7% angegeben.
Besonders risikoreich sind „fulminante Myokarditiden“ mit akuter Herzinsuffizienz und Schock. Hier ist rasches Eingreifen nötig. In Kindern und jungen Erwachsenen mit dekompensierter Myokarditis war laut Registern etwa 14% auf Intensivstation mechanisch zu unterstützen; Sterblichkeit oder Herztransplantationsrate lag bei ~5–8%. Generell ist die Sterblichkeit bei unbehandelten fulminanten Formen hoch, unter optimaler Therapie (z.B. mit Herzunterstützungssystemen) aber verbessert. Andererseits gelten granulomatöse Myokarditiden und bestimmte Infektionserreger (z.B. Diphtherie, Toxoplasmose) als besonders gefährlich – sie enden oft tödlich.
Ein positiver Befund in der Akutsituation erfordert langfristige Nachsorge. Auch Patienten, die klinisch genesen sind, sollten auf subklinische Folgen überwacht werden (z.B. Folgewellen bei MRT oder erneuter Biomarkeranstieg). Unkomplizierte Fälle (<1% Sterblichkeit) überleben die Erkrankung meist beschwerdefrei, während komplizierte Fälle mit Herzversagen oder schweren Arrhythmien eine engmaschige Behandlung brauchen.
Therapieformen
Die Behandlung richtet sich nach Ursache, Schwere und Verlauf. Bei leichter Myokarditis reichen meist schonende Maßnahmen und Supportivtherapie aus:
- Sportliche Schonung: Absolute Bettruhe oder zumindest körperliche Ruhe über Wochen bis Monate ist essenziell. Sportverbot (auch kein Leistungssport) für mindestens 3–6 Monate wird empfohlen, um das Herz nicht zu überlasten.
- Herzinsuffizienz-Therapie: Bei Zeichen der Herzschwäche wird eine leitliniengerechte Behandlung wie bei Herzinsuffizienz begonnen – ACE-Hemmer (z.B. Ramipril), Betablocker (z.B. Metoprolol), Aldosteronantagonisten und Diuretika nach Bedarf. Dies verbessert die Remodellierung und senkt die Sterblichkeit.
- Antiarrhythmische Behandlung: Bei anhaltenden Rhythmusstörungen können Antiarrhythmika oder Katheterablation erwogen werden. In akuten Notfällen muss häufig ein Schrittmacher oder ein implantierbarer Defibrillator (ICD) eingesetzt werden.
- Medikamentöse Therapie gegen Entzündung: Gibt es einen nachgewiesenen autoimmunen Mechanismus (z.B. Riesenzellmyokarditis, Sarkoidose) oder anhaltende Entzündungszeichen, kommen Immunsuppressiva zum Einsatz – Kortikosteroide allein oder in Kombination (z.B. Prednisolon + Azathioprin). Eine routinemäßige Kortikosteroidtherapie bei viraler Myokarditis wird eher nicht empfohlen.
- Gezielte Behandlung der Ursache: Liegt eine bakterielle Infektion (z.B. Borreliose) vor, erfolgt eine gezielte Antibiotikatherapie. Bei manchen viralen Erregern (bei Nachweis) wurden experimentelle Virostatika geprüft, allerdings gibt es hierfür keine gesicherten Standardtherapien.
- Unterstützende Maßnahmen: Schwer betroffene Patienten mit Kreislaufinstabilität benötigen Intensivtherapie: Inotropika (z.B. Dobutamin) und eventuell mechanische Kreislaufunterstützung (z.B. ECMO oder Ventricular Assist Device) können lebensrettend sein.
- Herztransplantation: In extremen Fällen mit irreversiblem Pumpversagen kann – als letztes Mittel – eine Herztransplantation notwendig werden. In der Praxis betrifft dies nur wenige Patienten (gemäß Kinderregistern etwa 5–8% der fulminanten Fälle).
Insgesamt heilten laut einer aktuellen Analyse ca. 75% der stationär behandelten Myokarditis-Fälle komplikationslos aus (Sterblichkeit nahe 0%), während die übrigen intensivmedizinische Unterstützung benötigten. Eine spezifische antivirale Therapie existiert bislang nicht, die primäre Strategie ist deshalb das Management der Herzfunktion und Schutz vor Komplikationen.
Prävention
Eine spezifische Impfung gegen Myokarditis gibt es nicht, aber man kann Risikofaktoren minimieren:
- Infektionsschutz: Grippeschutzimpfungen und andere empfohlenen Impfungen (z.B. gegen COVID-19) können indirekt schützen, da Myokarditiden besonders nach schweren Infektionen auftreten. Tatsächlich zeigte eine Studie, dass nach COVID-19-Erkrankung das Myokarditis-Risiko deutlich höher ist als nach einer vergleichbaren Influenza. Indem man Infekte vermeidet bzw. milder gestaltet (u.a. durch Impfung, Maske in Risikosituationen), verringert man das Myokarditisrisiko.
- Körperliche Schonung bei Krankheit: Wichtiger Präventionsansatz ist, akute virale Erkrankungen (z.B. Grippe, COVID-19, Erkältungen) vollständig auszukurieren und währenddessen auf Sport oder schwere körperliche Anstrengung zu verzichten. Sportler sollten bei Fieber oder ungewöhnlicher Erschöpfung unbedingt pausieren.
- Vermeidung von Toxinen: Auf Drogenkonsum (insbesondere harte Drogen) und übermäßigen Alkoholkonsum sollte verzichtet werden. Krebspatienten bekommen je nach Risiko Monitoring, um Herzschäden durch Therapien (Anthrazykline, Checkpoint-Inhibitoren) früh zu erkennen.
- Vorsorgeuntersuchungen: Bei bekannten Vorerkrankungen (z.B. Autoimmunerkrankungen, HIV) können regelmäßige kardiologische Kontrollen sinnvoll sein. Untersucht wird, ob Anzeichen einer stillen Myokarditis vorliegen.
Allgemein gilt: Myokarditis lässt sich nicht vollständig verhindern, aber durch Infektionskontrolle und Schonung können die meisten Fälle abgeschwächt oder ausgesessen werden.
Komplikationen
Unbehandelt oder bei schwerem Verlauf kann eine Myokarditis weitreichende Folgen haben:
- Chronische Herzinsuffizienz/Dilatation: Anhaltende Entzündung führt oft zu Vernarbung des Myokards und Ausweitung der Ventrikel (dilatative Kardiomyopathie), was lebenslang zu Herzschwäche führt. Herzmuskelfasern gehen unwiderruflich zugrunde.
- Herzrhythmusstörungen: Entzündete Bereiche können elektrische Erregung stören. Häufig sind Extrasystolen und Vorhofflimmern, gefährlich können Kammertachykardien oder Kammertachyarrhythmien sein. Ein kompletter AV-Block („Überleitungsblock“) ist möglich.
- Kammerflimmern und plötzlicher Herztod: Besonders bei junger (an Myokarditis erkrankter) Population sind tödliche Herzrhythmusstörungen eine Hauptgefahr. Studien zeigen, dass Myokarditis eine der häufigsten Ursachen des plötzlichen Herztods bei Sportlern und jungen Erwachsenen ist.
- Thromboembolien: Bei schlechter Pumpfunktion oder lokalen Akinese können sich Blutgerinnsel im Ventrikel bilden, die zum Schlaganfall oder Lungenembolie führen.
- Herzbeuteltamponade: Bei ausgeprägter Perimyokarditis kann es zur Flüssigkeitsansammlung im Herzbeutel kommen, was das Herz abdrückt und die Pumpleistung akut beeinträchtigt.
- Generalisierte Folgen: Langfristig sind Anämie, Nierenfunktionseinschränkung und Hepatomegalie (bei Rechtsherzinsuffizienz) mögliche Komplikationen einer chronischen Herzinsuffizienz infolge Myokarditis.
Epidemiologie und Risikogruppen
Myokarditis ist selten, aber vermutlich oft unterdiagnostiziert. Die geschätzte Inzidenz liegt bei 4–14 Fällen pro 100.000 Einwohner und Jahr weltweit (andere Schätzungen nannten Werte bis zu 105 pro 100.000). In Deutschland dürften jährlich einige Tausend Menschen betroffen sein. Möglicherweise kommt Myokarditis bei ~1–4% aller grippeähnlichen Virusinfektionen vor.
Betroffene Risikogruppen sind:
- Junge Menschen: Insbesondere Männer im jüngeren Erwachsenenalter (20–50 Jahre) erkranken häufiger als ältere. Bei Kindern und Jugendlichen kann es nach viralen Infekten zu Myokarditis kommen (ein aktueller WHO-Bericht beschreibt etwa zehn schwere Fälle bei Neugeborenen mit Coxsackie-Infektion in UK 2022/23).
- Männer: Weltweit tritt Myokarditis häufiger bei Männern auf (genauer Mechanismus unklar).
- Immunschwäche: Personen mit Immunsuppression – z.B. HIV-Infektion oder Chemotherapie – haben ein erhöhtes Risiko. Unter Autopsien von HIV-Patienten fand man Myokarditis in ~50% der Fälle.
- Autoimmunerkrankungen: Patienten mit Lupus, Sarkoidose u.a. sind anfälliger. Bei Lupus-Patienten zeigten Bildgebungstudien Myokarditis bei ~9% der Fälle. Bei Sarkoidose findet sich in bis zu 5% Beteiligung des Herzens.
- Kardiotoxische Therapien: Krebspatienten, die Anthrazykline oder Checkpoint-Inhibitoren erhalten, haben eine relevante Myokarditis-Rate (z.B. ~1% bei Immuntherapie).
- Sportler: Junge Leistungssportler haben kein grundsätzlich höheres Erkrankungsrisiko, aber sie bilden eine relevante Gruppe für Symptome und Folgen, da Herzmuskelentzündungen bei ihnen oft zum plötzlichen Herztod führen.
Differenzialdiagnosen
Viele Erkrankungen können eine Myokarditis imitieren. Wichtigste Differenzialdiagnosen sind:
- Akuter Myokardinfarkt (Koronarsyndrom): Ähnliche Symptome (Brustschmerz, Troponinanstieg). Immer zuerst Koronarangiographie oder CT-Koronarografie durchführen, um Stenosen auszuschließen.
- Perikarditis: Reine Herzbeutelentzündung verursacht ebenfalls Brustschmerz mit ST-Hebungen; Abgrenzung erfolgt über Klinik, Echo (Fehlen der Myokardbeteiligung) und teilweise Biopsie.
- Endokarditis: Bei Fieber, Klappenschaden denken an bakterielle Endokarditis mit sekundärer Myokardbeteiligung.
- Primäre Kardiomyopathien: Beispiel: hypertrophe oder dilatative Kardiomyopathie anderer Ätiologie (genetisch oder toxisch).
- Takotsubo-Kardiomyopathie: Stresskardiomyopathie kann Brustschmerz und rechts- oder linkshypertrophe Wandbewegungsstörungen verursachen, unterscheidet sich im MRT-Muster.
- Lungenembolie oder Pneumonie: Verursachen Brustschmerz und Atemnot, aber das Troponin kann auch hier leicht ansteigen.
- Systemische Erkrankungen: Schilddrüsenüberfunktion, bestimmte Autoimmunerkrankungen oder Medikamente (Kardiotoxizität) können mit Myokardentzündung verwechselt werden.
Myokarditis im Sport und plötzlicher Herztod
Myokarditiden sind im sportmedizinischen Kontext besonders relevant, da sie bei jungen Sportlern häufig zum plötzlichen Herztod (SCD) führen. Untersuchungen zeigen, dass Myokarditis eine der häufigsten Ursachen von SCD bei Athleten ist. Viele junge Betroffene hatten symptomlose oder milde Infekte, gefolgt von schwerer Rhythmusstörung beim Sport. Daher fordern internationale Empfehlungen, nach einer diagnostizierten Myokarditis auf jeden Fall 3–6 Monate Sportpause einzuhalten. Vor Wiederaufnahme des Trainings sollen Herzfunktion und Rhythmus mittels EKG und Echokardiographie geprüft werden. In der COVID-19-Pandemie rückte dieses Thema verstärkt in den Blick: Nach SARS-CoV-2-Infektionen wurden Sportlern zeitweise Ruhepausen verordnet, um occultes Myokarditisrisiko auszuschließen. Auch nach Impfungen wird aktuell diskutiert, inwieweit (sehr seltene) Vakzin-assoziierte Myokarditiden abgewogen werden müssen. Klar ist: Sportliche Belastung bei Verdacht auf Myokarditis kann lebensbedrohlich sein, und präventive EKG‑/Echo-Tests bei unspezifischen Symptomen werden empfohlen.
Historische und aktuelle Forschung
Myokarditis wurde erstmals vor über 100 Jahren durch histologische Untersuchungen beschrieben. Ein Meilenstein war 1986 die Definition der Dallas-Kriterien für die Biopsiediagnose. In den letzten Jahrzehnten wurden zahlreiche Viren als Verursacher identifiziert, und man lernte Autoimmunmechanismen besser verstehen. Die moderne Forschung konzentriert sich auf neue Diagnosemethoden (zirkulierende Biomarker, Gewebebiopsien), Immunprofilmessungen («Cardio-Immunologie») und gezielte Therapien.
Aktuelle Leitlinien und Übersichtsartikel fassen den Stand zusammen: So berichten Ammirati et al. (JAMA 2023), dass Myokarditis weltweit ca. 4–14 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner/Jahr verursacht, mit 1–7% Mortalität. Sie hebt hervor, dass die häufigsten Auslöser Viren (Influenza, Coronaviren), Autoimmunerkrankungen (z.B. Lupus), Chemotherapien und auch Impfungen sind. In Zukunft werden vermutlich genetische Faktoren, spezifische miRNA-Biomarker und neue Immuntherapien (z.B. Interleukin-Inhibitoren) eine Rolle spielen. Ebenfalls laufend erforscht wird das Myokarditisrisiko durch neuere Medikamente (Immuncheckpoint-Inhibitoren) und Impfstoffe – bis heute bleibt aber die Vermeidung bzw. schnelle Behandlung von Infektionen der effektivste Schutz.
Zusammenfassung: Herzmuskelentzündung ist eine komplexe Erkrankung mit vielfältigen Ursachen und Symptomen. Die Behandlung erfordert oft intensive Betreuung, aber bei frühzeitiger Diagnose und Schonung haben viele Patienten eine gute Prognose. Quellen aus Leitlinien (ESC, AHA) und aktuellen Studien liefern evidenzbasierte Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie.
Hier ist ein nummeriertes Quellenverzeichnis für den Wiki-Artikel über Herzmuskelentzündung (Myokarditis):
📚 Quellenverzeichnis
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